Prinz Max zu Wied

Leben und Werk

Begleitschrift zur Ausstellung im Landschaftsmuseum Hachenburg 1994

Mit Stift und Pinsel

Als die Fotografie noch ungebräuchlich war, mußte der Reisende seine Eindrücke mit Zeichenstift oder Pinsel festhalten. Bei der Brasilienreise hat Prinz Maximilian unermüdlich Tagebuch geführt und den Skizzenblock gefüllt. Nur gelegentlich übernahm er später auch Zeichnungen seines Reisebegleiters Friedrich Sellow (1789-1831), der etwas besser geschult war.

Indem Maximilian über keine Ausbildung im Zeichnen verfügte, war er aber auch nicht durch ästhetische Richtlinien oder akademische Regeln eingeengt, sondern nur dem unbestechlichen Blick des Naturforschers verantwortlich . Erst seit der Wiederentdeckung des zeichnerischen Nachlasses durch Josef Röder ( 1914-1975) hat das Bemühen des Prinzen die verdiente Anerkennung erfahren.

Insgesamt 123 Zeichnungen und Aquarelle eigener Hand befinden sich im Nachlaß aus der Brasilienreise. Landschaftseindrücke, Ereignisse, Indianer und ihr Leben, Menschen in Stadt und Land werden aus dem spontanen Eindruck heraus skizziert. Personen zeigt er gerne im Profil. Ausrüstungsgegenstände, Schmuckstücke und Haartrachten hat er detailliert und gerne dargestellt.

Im Anhang zum ersten Band der Brasilienreise erklärt Wied: Die Zeichnungen, welche den Bericht meiner Reise in Brasilien begleiten, sind meistentheils von mir an Ort und Stelle skiziert, und nachher vollkommen ausgeführt worden. Der Nachsatz wird erst bei Kenntnis der Hintergründe verständlich.

Zur Abbildungsqualität meinte schon Josef Röder: Seine Bilder erinnern oft an die moderen Primitiven, etwa Ro(u)sseau den Zöllner, aber es fehlt jeder romantische Schimmer. Nüchtern und klar ist alles, ohne Einschlag eines klassizistischen oder fatal romantischen Ideals. Für uns, die wir die modernen Primitiven in der Malerei schätzen und lieben gelernt haben, ist heute der Blick für manche künstlerische Qualitäten der Bilder des Prinzen wieder geöffnet, seinen Zeitgenossen, die den Künstler nicht zuletzt an seinem erworbenen Können maßen, waren sie unerträglich. (Röder & Trimborn S. 114)

Daher wurden die Skizzen vor der Drucklegung vor allem durch seine Geschwister Carl ( 1785-1864) und Louise zu Wied (1773-1864), die an der Dresdner Akademie studiert hatten, umgezeichnet. Dazu kommen gelegentliche Änderungen, die von Malern und Stechern vorgenommen worden sind. Genannt werden Johann Heinrich Richter (1803-45), Philipp Veith (1768-1837), Johann Gottfried Abraham Frenzel (1782-1855) und Johann Karl Schleich d. J. (1788-1840). Die im klassischen Ideal erzogenen Umzeichner waren außerstande, aus der primitiven Linienführung in den Bildern des Prinzen die Wahrheit exakter Beobachtung herauszufühlen. So ging mit dieser viel von der Naturtreue und der nüchternen Atmosphäre der Bilder verloren. ... Aber nicht nur die Umzeichnung, auch die Kolorierung der Tafeln und Vignetten lag in den Händen seiner Geschwister, so daß die Verfälschung vollständig in einer Richtung lief und ganz dem Bilde der Zuhausegebliebenen entsprach.(Ebd.)

Freilich dürften weder mangelnde Durchsetzungskraft, noch reisebedingte Ermüdung oder rückblickende Verklärung Gründe für die erkennbare Nachgiebigkeit Maximilians gewesen sein, sondern das Vertrauen des bescheidenen Mannes auf das Urteil der Fachleute. Er war sich stets seiner Grenzen bewußt und äußerte in einem Brief an seine Mutter (1815), unterwegs habe ich innerlich oft bedauert, kein Landschaftszeichner zu sein. Gleichwohl hat er die Anpassungen der Vorlagen für den Druck kritisch verfolgt. In der Einleitung zum Reisewerk betont er deshalb ausdrücklich: - aller angewandten Mühe ungeachtet haben sich aber dennoch einige Unrichtigkeiten eingeschlichen. (zit. n. Löschner)

Auch die Kupferstecher kamen meist aus dem Kreis der Dresdner Akademie. Aus ihrer Produktion gelangten 19 Motive auf separaten Tafeln des Reisewerkes und 22 großformatige Kupferstiche im zugehörigen Atlas zur Veröffentlichung.

Für die handkolorierten Abbildungen in den naturgeschichtlichen Bänden dienten ebenfalls Skizzen Maximilians als Vorlage. Die Reinzeichnung und Aquarellierung besorgten mit gutem Einfühlungsvermögen die Zeichner und Grafiker Wilhelm Hartmann (1793-1862) und (n. Joost) Hermann Bekkers.

Die Erfahrungen der Brasilienexpedition bewogen Maximilian, für seine Reise durch Nordamerika den Schweizer Landschaftsmaler Karl Bodmer (1809-93) als Begleiter einzustellen. Doch selbst gegenüber dessen Meisterleistungen bewahrte sich Maximilian den nüchternen Blick. Gelegentlich kritisierte er Indianerbilder Bodmers, weil er die dargestellten Personen gar nicht so schön in Erinnerung habe.

Bild: Karl Bodmer
Selbstporträt Karl Bodmers.

Zutiefst Naturfreund, stellte er das unmittelbare Erlebnis grundsätzlich über jedes noch so vollendete Kunstwerk in der Überzeugung, daß es dem besten Landschaftsmaler kaum möglich sein würde, die mannigfaltige abwechselnde Farbmischung der Riesenkronen dieser Urwälder darzustellen, und wenn er's vermöchte, so würde jeder, der diese Gegenden nicht selbst gesehen hat, sein Gemälde für eine bloße Dichtung der Fantasie halten. (zit. n. Löschner)

In diesem Sinne legte Wied bei der Illustration der "Abbildungen zur Naturgeschichte" Wert darauf, daß stets nach Originalpräparaten gearbeitet wurde, die er, falls erforderlich, bei Hinrich Martin Lichtenstein (1780-1857), Berlin, oder Heinrich Boie, Leiden, anforderte. Ein großer Teil der Abbildungen wurde von dem Schweizer Wilhelm Hartmann gestaltet, den Maximilian 1820 für ein Jahr nach Neuwied eingeladen hatte, um hier die Lithografien von Hand zu kolorieren.

Die Intentionen und Wirkungen des künstlerischen Schaffens von Prinz Maximilian hat zuletzt Renate Löschner vom Ibero-Amerikanischen Institut Preußischer Kulturbesitz in Berlin überzeugend herausgearbeitet. Sie schreibt:

Maximilian ging es um die Vermittlung eines authentischen Bildes von Brasilien, das sich im frühen 19. Jahrhundert wissenschaftlich fundamentiert in der Alten Welt durchsetzte. Dabei war das exotische Südamerika schon seit dem 16. Jahrhundert in den Blickpunkt europäischen Interesses geraten. Doch die Informationen aus dieser Hemisphäre waren spärlich und widersprüchlich, Bildliche Darstellungen, die dort ihren Ursprung hatten, wie die zum Teil grausamen Illustrationen des leidgeprüften, in spanischen Diensten stehenden deutschen Landsknechtes Hans Staden (1557) boten der Phantasie unendliche Anregungen. Der "wilde, menschenfressende Indianer" stand im Mittelpunkt. Die in Frankfurt am Main ansässige Verlegerfamilie de Bry zog daraus und aus vereinzelten anderen Reiseberichten bis weit in das 17. Jahrhundert hinein motivische Anregung . Es kristallisierte sich ein Klischee von Amerika heraus, das der europäischen Phantasie Rechnung trug und von den zeitgenössischen Kunstauffassungen bestimmt wurde.
Daß sich Prinz Maximilian mit Stadens Werk, das von den Sitten und Gebräuchen der Eingeborenen Brasiliens berichtet, und der ebenfalls mit Holzschnitten versehenen "Histoire d'un voyage fait en la terre du Brésil" (1578) des Franzosen Jean de Léry, der wiederum auf bildliche Vorlagen von Staden zurückgriff, detailliert auseinandergesetzt hat, belegen handschriftliche Kommentare zu den beiden Publikationen im Wied-Nachlaß. Waren die Holzschnitte in den frühen Chroniken einfach und laienhaft und die Interpretationen zwar kunstvoller, aber wirklichkeitsfremder, so wurde Europa erstmals im 17. Jahrhundert mit realistischen Ansichten aus Südamerika konfrontiert. Schöpfer dieser Meisterleistungen waren die Holländer Frans Post und Albert van der Eeckhout, die mit Moritz von Nassau in die Besitzungen der Niederländischen West-Indischen Compagnie an die Nordostküste Brasiliens kamen. Sie malten und zeichneten Indianer, Landschaften, Flora und Fauna. Die Forscher Piso und Markgraf übernahmen verschiedene dieser Motive für die Ausgestaltung ihrer 1648 herausgegebenen "Historia naturalis Brasiliae". Für dieses fundamentale Werk interessierte sich Maximilian zu Wied in hohem Maße vor der Ausreise nach Südamerika. Vergebens bemühte er sich im Februar 1815, den seltenen Band zu erwerben; er kam erst zu einem späteren Zeitpunkt in seinen Besitz.
Die genannten Veröffentlichungen stammen aus der langen Zeit, in der das spanische und das portugiesische Kolonialreich in Amerika nur in Ausnahmefällen Reisenden anderer Nationalität wie Charles-Marie de La Condamine um 1750 und Alexander von Humboldt um die Wende zum 19. Jahrhundert zugänglich waren. Mit ihnen setzte für Lateinamerika die Epoche ausgedehnter wissenschaftlicher Untemehmungen ein. Humboldts iberoamerikanische Forschungsexpedition 1799 bis 1804 wirkte bahnbrechend.

(Renate Löschner, in: Brasilien-Bibliothek der Robert Bosch GmbH, Bd. 11, Tl. 1, Stuttgart 1988,S. 11)

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